BGH – Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 607/12
Elternunterhalt trotz Kontaktabbruch durch unterhaltsberechtigten Vater
Kinder sind gegenüber ihren Eltern unterhaltspflichtig, auch wenn der jeweilige Elternteil den Kontakt einseitig abgebrochen hat. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 12.02.2014 entschieden, dass der Elternteil durch den Kontaktabbruch seinen Unterhaltsanspruch nicht gem. § 1611 Abs. 1 BGB verwirkt hat.
Im konkreten Fall hat die Freie Hansestadt Bremen den Antragsgegner aus übergegangenem Recht wegen Elternunterhalt in Anspruch genommen. Die Eltern des 1953 geborenen Antragsgegners trennten sich 1971. Nach anfänglich noch losem Kontakt brach der Kontakt des volljährigen Sohnes zu seinem Vater ab. Der Vater errichtete ein notarielles Testament und bestimmte, dass der Sohn nur den strengsten Pflichtteil erhalten solle, da zu seinem Sohn seit rund 27 Jahren kein Kontakt mehr bestehe. Die Antragstellerin nahm den Antragsgegner nach dem Tod des Vaters wegen Unterhalts aus übergegangenem Recht auf Zahlung eines Gesamtbetrages von 9.022,75 € in Anspruch. Der Vater hatte in der Zeit zwischen Februar 2009 bis Januar 2012 Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhalten als er in einem Pflegeheim untergebracht war.
Nachdem das Oberlandesgericht Oldenburg den Anspruch auf Elternunterhalt, der von der Antragstellerin aus übergegangenem Recht (§§ 93 ff. SGB XII) geltend gemacht wurde, wegen Verwirkung verneint hat, hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des AG Delmenhorst wiederhergestellt, und damit den Antragsgegner zur Leistung des Unterhalts verpflichtet.
BGH: Keine Verwirkung des Anspruchs auf Elternunterhalt
Zur Begründung führt der BGH aus: Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stelle wegen der darin liegenden Verletzung der sich aus § 1618 a BGB ergebenden Pflicht zu Beistand und Rücksicht zwar regelmäßig eine Verfehlung dar. Diese führe aber nur bei Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auch als schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB erscheinen lassen, zur Verwirkung des Elternunterhalts. Solche weiteren Umstände sah der BGH im vorliegenden Fall nicht als gegeben. Auch wenn der Vater den Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen, und damit das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt hat, habe er sich während der ersten 18 Lebensjahre – und somit in einer Lebensphase, in der die intensive elterliche Fürsorge von besonderer Bedeutung ist – um diesen gekümmert. Die Errichtung des Testaments selbst stelle keine Verfehlung dar, die eine Verwirkung des Anspruchs auf Elternunterhalt begründe, da diese grundsätzlich von der verfassungsrechtlich geschützten Testierfreiheit gedeckt sei.